Radionavigation
Lektion 4: VOR/DME Teil 2
Oft haben wir nun schon das HSI (Hozizontal Situation Indicator) erwähnt. Dieses Instrument ist es, welches in Verbindung mit dem VOR ungeahnte navigatorische Möglichkeiten offenbart.
Das Instrument selbst kann in verschiedenen Flugzeugen recht unterschiedlich aussehen. Die zwei grundlegenden Darstellungen, von denen eigentlich alle anderen Darstellungen abgeleitet sind, zeigt das folgende Bild:
Das Bild zeigt zwei HSI in exakt der gleichen Situation und mit den gleichen Einstellungen. Das linke HSI gehört zu den moderneren und wird bereits auf einem Display angezeigt. Es gibt aber auch ältere HSIs dieser Form. Diese Darstellungsweise ist also nicht nur auf Displays anzutreffen. Hier zeigt es jedoch neben dem eigentlichen HSI auch noch Daten des DME und die Kennung des VORs aus dem Morsecode an (63 Knoten schnelle Entfernung vom eingestellten VOR mit der Kennung ERF auf Kanal NAV1, Position ist 19,3nm entfernt vom VOR).
Um die Anzeigen zu vestehen, muss man das VOR an sich verstehen. Das VOR ist ein gerichtetes Funkfeuer. Das bedeutet, dass es in jede Richtung ein etwas anderes Signal ausstrahlt. In der Praxis heißt das, dass auf das Sinussignal eine zweite Sinuswelle aufmoduliert wird, die in jede Richtung um 1° mehr verschoben ist (für die Physiker unter uns).
Auf Deutsch: Das VOR sendet 360 verschiedene Signale. In jede Kompassrichtung ein anderes Signal. Der Empfänger kann also anhand des Signals, welches er empfängt, feststellen, in welcher Richtung er sich vom VOR aus gesehen befindet.
Diese Information ist es, die das HSI darstellt.
Doch wie wird diese Information denn nun dargestellt?
Dazu muss man sich das VOR auf einer Karte als Punkt vorstellen. Durch diesen Punkt legen wir nun eine Gerade, eine gedachte Linie in einer bestimmten Richtung. Als Beispiel wählen wir dafür eine Linie mit der Kompassrichtung 316°.
Nun stelle ich das HSI auf 316° ein, indem ich den Drehknopf CRS (in manchen Maschinen auch im Autopiloten-Panel unter der Bezeichnung Course zu finden) bzw. OBS (von engl. observe: beobachten) benutze. Dabei richtet sich bei den aufwendigen HSIs (im Bild links) der unterbrochene Pfeil (im Bild grün) aus, bei den einfacheren HSIs dreht sich schlicht die Kompassskala entsprechend (hier rechts im Bild).
Dabei ist zu beachten, dass die aufwendigen HSIs auch den aktuellen Steuerkurs anzeigen (weißes Dreieck oben), während die einfachen das nicht tun und man zusätzlich den Kompass benötigt. Bei einer Kurve wird sich also das linke HSI komplett drehen - inkl. dem grünen, unterbrochenen Pfeil. Das rechte HSI bleibt einfach stehen.
Wir haben nun also das HSI auf 316° eingestellt, das heißt, wir beobachten die virtuelle (gedachte) Linie, die mit einem Kurs von 316° durch das VOR hindurch führt. Das HSI zeigt uns nun an, ob wir uns rechts, links von oder direkt auf dieser Linie befinden. Im oben abgebildeten Beispiel befinden wir uns links von der Linie. Das aufwendige HSI (links) zeigt das dadurch an, dass die Mitte des (hier) grünen Pfeils parallel nach rechts (auf die Pfeilrichtung bezogen) verschoben ist. Das einfachere HSI (rechts) zeigt das durch den Rechtsausschlag der weißen Linie im Innern des Instruments an. Angeziegt wird also in vereinfachter Weise, wo sich die gedachte Linie in Bezug auf die Flugzeugposition befindet. Die Mitte des HSI ist quasi das Flugzeug, die verschobene (grüne) Pfeilmitte ist die gedachte Linie.
Je nach dem, wie weit entfernt man nun von der gedachten Linie durch das VOR ist, ist der Ausschlag des HSI größer oder kleiner.
Wäre die Anzeige in der Mitte, würden wir uns direkt auf der gedachten Linie befinden.
Das folgende Bild zeigt die Beispielsituation auf einer Karte:
Man sieht, dass das aufwendigere HSI die Situation viel besser darstellt. Man kann die Situation ohne großes Umdenken intuitiv einschätzen. Beim einfacheren HSI muss man zunächst unter Berücksichtigung des eigenen Steuerkurses (hier 19°) überlegen, in welcher Situation man sich nun genau befindet.
Was jedoch auf alle Fälle deutlich wird, ist, dass man demnächst die gedachte Linie überfliegen wird. Dabei wird die Anzeige umschlagen. Das grüne Mittelstück des Pfeils in der aufwendigen Anzeige wird genau wie die weiße Anzeige im einfachen HSI auf die andere Seite wandern. Dieser Vorgang wird aber nicht plötzlich von statten gehen. Vielmehr geschieht dies langsam und gleichmäßig - eben genau so wie man auch diese gedachte Linie überfliegt.
Fliegt man nun zum Beispiel eine Rechtskurve genau so, dass man auf der gedachten Linie in Richtung des VORs fliegt, so hat man den Vorteil, genau zu wissen, aus welcher Richtung man zum VOR kommt. Man kann so zum Beispiel sehen, dass man die Kontrollzone von Erfurt an einer Ecke streifen wird. Dies könnte man nun verhindern, indem man das HSI auf 318° einstellt.
Man sieht also: Die Navigation mit Hilfe des HSIs macht viel genauere Flugwege möglich.
An dieser Stelle möchte ich einen Fachbegriff einführen: Es handelt sich um das Radial. Das Radial ist quasi die von uns erdachte Linie - viel mehr der Pfeil. Das Radial 316 des VORs ERF ist also der (unendlich lange) Pfeil in Richtung 316° auf dem Kompass, welcher durch das VOR ERF verläuft.
Fliege ich nun direkt auf diesem Radial, so weiß ich aber noch nicht, ob ich mich auf das VOR zu bewege, oder ob ich (wie in diesem Beispiel, wenn ich nach links auf das Radial 316 schwenken würde) mich von ihm entferne. Deshalb hat das HSI das kleine weiße Dreieck, welches dem ein oder anderen vielleicht schon aufgefallen sein könnte. Dieses Dreieck zeigt entweder nach vorn (in Radialrichtung); dann bewege ich mich auf das VOR zu oder nach hinten (entgegen der Radialrichtung); dann entferne ich mich vom VOR. In manchen Flugzeugen findet sich anstatt des kleinen Dreiecks auch die Anzeige der entsprechenden Wörter TO oder FROM.
Nun ist die Funktionsweise des HSI erklärt. Was aber kann ich damit anfangen?
Erstens kann man seinen Flugweg genauer einhalten, wenn man gut plant. Das zeigt das bereits erwähnte Beispiel des Streifens der Kontrollzone Erfurt.
Aber es gibt noch mehr Anwendungen. Man denke sich einen Flugplan, der nur aus VORs besteht. Man müsste diese VORs eigentlich in einem Abstand von 195nm (Sendereichweite eines VORs) wählen, damit man immer weiß, wo man hinfliegen muss. Aber mit Hilfe des HSI, kann man nach Überfliegen des VORs ja weiter auf einem bestimmten Radial fliegen. Selbst der Wind spielt keine Rolle, da ich eine Abweichung vom Radial sofort auf dem HSI sehe und korrigieren kann. Auf diese Weise brauche ich das nächste VOR erst in Reichweite haben, wenn ich bereits weitere 195nm weit auf dem Radial vom letzten VOR weg geflogen bin. Der Abstand zwischen den VORs im Flugplan kann also auf die Doppelte Sendereichweite ausgedehnt werden, ohne dass ich zu irgendeinem Zeitpunkt ohne Navigationshilfe blind umher fliegen muss.
Eine weitere Anwendung wäre der Ersatz eines Radiokompasses. Will ich wissen, in welcher Richtung ein bestimmtes VOR liegt, so stelle ich dessen Frequenz ein und drehe den CRS- bzw. OBS-Knopf am HSI solange, bis die Anzeige (Mittelstück des Pfeils bzw. im einfachen HSI die weiße Anzeigelinie) in der Mitte ist. Wenn das kleine weiße Dreieck mir dann noch zeigt, dass ich mich auf diesem Radial auf das VOR zu bewege, brauche ich nur noch den eingestellten Kurs ablesen und kann ihm bis zum VOR folgen. Zeigt das Dreieck zunächst an, dass ich mich vom VOR entferne, so muss ich eben das Radial mit einem um 180° erhöhten Kurs wählen, also noch eine halbe Umdrehung am Knopf drehen.
Auf diese Weise kann ich die Funktion des Radiokompasses ersetzen.
Aus diesem Grund wird der Kanal NAV1, der immer standardmäßig auf das HSI geschalten ist, nur sehr selten auf den Radiokompass geschalten. In den meisten Flugzeugen gibt es nur ein HSI. Deshalb liegt NAV1 auf dem HSI, während NAV2 nicht auf das HSI geschalten werden kann und somit die zweite Nadel des Radiokompasses steuert.
Dies ist die Standardbelegung:
Radiokompass Nadel 1 = NDB/ADF
Radiokompass Nadel 2 = VOR2/NAV2
HSI = VOR1/NAV1
Diese Belegung lässt eigentlich keine Wünsche offen und lässt sich daher nur in wenigen Flugzeugen ändern - das wäre Luxus (kommt aber vor).
In einigen Flugzeugen (auch kleine Flugzeuge wie die Cessna) gibt es zwei HSIs. Dann hat der Radiokompass nur eine Nadel und zeigt immer ADF/NDB an, während die HSIs die Anzeige der VOR-Kanäle übernehmen.
Hauptsächlich in russischen Maschinen ist es üblich, dass man einen Radiokompass mit zwei völlig frei belegbaren Nadeln und manchmal auch zwei HSIs vorfindet. Oftmals haben russische Maschinen auch zwei ADF-Empfänger, was bei den westlichen Flugzeugen schon lange praktisch nicht mehr vorkommt.
Übrigens: Beim Überfliegen eines VORs spielt zunächst das HSI verrückt und man verliert dann das Signal. Auf der anderen Seite dann hat man wieder erstmal ein unbrauchbares Signal. Das HSI ist nur zu gebrauchen, wenn man ca. 5nm und mehr vom VOR entfernt ist.
So, nun hoffe ich, dass einiges klarer ist und dass der Umgang mit dem HSI viel Spaß bereitet. Kreativität bei der Verwendung des HSI kann übrigens noch viele weitere Anwendungen offenbaren!
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